Jodlklub

Uncategorized 12/10/2017

Johanna Milz, Elisabeth Gabriel und Liese Lyon sind der Jodlklub. Sie singen gemeinsam österreichische Volkslieder. Aber sie machen keine Volksmusik. Sie treten bei Ausstellungseröffnungen auf, in einem Stuttgarter Kellerclub für experimentelle Musik oder im Frankfurter Yachtclub.

Alle drei arbeiten am Theater. Alle drei haben österreichische Wurzeln, aber kennengelernt haben sie sich erst in Frankfurt. Wie sind die Drei – eine Dramaturgin, eine Regisseurin und eine Schauspielerin – dazu gekommen gemeinsam zu jodeln? Liese Lyon versteht sich als Initiatorin des Jodlklub. Sie kam vor genau zehn Jahren aus Wien nach Frankfurt. Hat sich umgehört, bekam Tipps, wen sie unbedingt kennenlernen sollte. ‚Ich habe mir immer gedacht – man könnte sich doch einfach an die Straßenecke stellen und singen. Warum tut man das nicht?’

So fing es an, erinnert sich Elisabeth Gabriel: ‚Wir haben uns in der Woche vor Weihnachten vor den Dom gestellt und Weihnachtslieder gesungen. Für unsere ganz persönliche Weihnachtsstimmung, erzählt Elisabeth. ‚Wir haben gesungen, die Leute gingen vorbei, waren beschäftigt. Dann sangen wir ein Kärntner Weihnachtslied, schwermütig, besinnlich. Und plötzlich blieben Menschen stehen, waren berührt.’ Der erste öffentliche Auftritt des Jodlklub folgt 2011 im Museum für Weltkulturen.

In Österreich hätten wir dieses Projekt nie begonnen. Der Jodlklub funktioniert, weil wir weggegangen sind

Elisabeths Mutter hat Gesang studiert, der Vater war passionierter Musiker. ‚Die ganze Kindheit hindurch haben wir in den Chören meiner Mutter gesungen. Wir haben im Schwarzwald gelebt und doch hauptsächlich österreichische Volkslieder gesungen.’ In den Anfangsjahren des Jodlklub hat Elisabeth von ihrer Mutter viel Text- und Liedmaterial bekommen. Nun stöbern sie in alten Noten und Jodlersammlungen und erweitern ständig ihr Repertoire mit alten schwermütigen oder absurd anmutenden Jodlern, Juchzern oder Hintereinand.

Juchzern oder Hintereinand? Nie gehört. Jodeln ist nicht gleich jodeln. Es gibt große Unterschiede. Die Bayern jodeln anders als die Schweizer, in Österreich gibt es Unterschiede von Region zu Region. Die meisten Jodler des Jodlklubs klingen nicht so, als seien sie schon viele Generationen alt. Zum Beispiel der Ziffernjodler:

sechs mal zwoa is zwölf /
zwoa mal sechs is zwölf /
zwölf mal oans is zwölf /
und oanmal zwölf is zwölf
/
draht ma’s wia ma will /
es is gleich viel.

Ist das wirklich Volksmusik? Es klingt eher wie konkrete Poesie aus den 1960er Jahren… Kein Wunder, dass der Jodlklub mit diesem Repertoire häufiger im Kunstkontext angefragt wird und bisher noch nie auf einer echten Volksmusikbühne stand. Trotzdem bildet die österreichische Kultur den gemeinsamen Hintergrund. In Österreich scheint das Singen eine ganz andere Rolle zu spielen, schon die Kinder lernen früh zwei- und dreistimmig zu singen.

Johanna, Elisabeth und Liese treten nie in Tracht auf. ‚Wir komponieren keine eigenen Lieder, aber manchmal dichten wir eine Strophe hinzu, oder machen aus dem Dirndl ein Büblein oder verfremden die Jodler geringfügig.’ Sie brauchen keine Bühnentechnik, können überall anfangen. Der Jodlklub singt immer a cappella.

Frankfurt ist eine unglaublich kreative Stadt und ein toller Nährboden für alles mögliche!

In Frankfurt ist der Jodlklub etwas Besonderes, ganz klar. Aber auch in Österreich gibt es ein Revival alter Volkslieder. Inzwischen ist der Jodlklub schon mehrfach in die ‚Heimat’ zurückgekehrt. Was für alle drei eine aufregende Erfahrung war. ‚Vor unserem ersten Auftritt in Wien im Herbst letzten Jahres, waren wir alle drei sehr nervös.’

 In Wien sind wir der Jodlklub aus Frankfurt

Elisabeth Gabriel ist Regisseurin, sie arbeitet an verschiedenen Theatern in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Im Rhein-Main-Gebiet hat sie zuletzt am Staatstheater Wiesbaden und am Theaterhaus Frankfurt inszeniert. Gemeinsam mit Liese Lyon arbeitet sie derzeit an einem freien Projekt nach den Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus der Kärntner Schriftstellerin Christine Lavant.

Johanna Milz hat Theater- und Musikwissenschaft studiert und in Frankfurt als Regieassistentin gearbeitet. Danach war sie für William Forsythe und den Mousonturm tätig. Heute arbeitet sie frei, als Texterin und Dramaturgin im Bereich zeitgenössischer Tanz und Performance und managt die Tanzkompagnie MAMAZA.

Liese Lyon ist freie Schauspielerin und hat immer viel gesungen, auch am Theater. Gemeinsam mit dem Autor Daniel Wisser ist sie über viele Jahre in Wien als Sängerin seiner Texte aufgetreten. Sie spielt als Gast an den Staatstheatern Darmstadt und Mainz, in zahlreichen freien Produktionen und arbeitet für Film und Fernsehen.

Was bedeutet für Euch Erfolg?

‚Erfolg heißt, das machen zu können, was man liebt.’ (Liese)

‚Die Freiheit, verschiedene Sachen machen zu können.’ (Elisabeth)

‚Zum Erfolg gehört auch Anerkennung. Wenn ich das Feedback bekomme, das ich mir wünsche, dann habe ich Erfolg.’ (Johanna)

Alle drei klingen sehr euphorisch, aber natürlich gibt es auch andere Phasen. Lange Durstrecken, in denen man sehr einsam ist. Das gehört dazu, in allen künstlerischen Berufen.

Wie geht es weiter in nächster Zeit? Der Jodlklub hat längst ein Eigenleben entwickelt. Das Repertoire wächst stetig. Zuletzt hat die Regisseurin Friederike Thielmann für das Festival ‚implantieren’ einen Jodlklub-Abend auf dem seltsam schwankenden Ponton des Frankfurter Yachtclubs entwickelt. Seltsame Geräusche erfüllten den Raum und die Jodler waren viel ruhiger als sonst. Die melancholische Grundstimmung löste sich darin auf, dass alle drei am Ende jodelnd durch den Main davonschwammen…

www.jodlklub.de/

weitere Porträts: http://frankfurter-kranz.de/journal/

Foto: (c) Sandra Mann